Das größte Unverständnis entstand wohl aus dem Aspekt, dass meine
neue Agentur „Boncreativa“ kaum einer kennt und sie offenbar für nichts steht. Mein
ehemaliger Studienkollege Mark kennt diese Situation nur zu gut. Er ist selbst
in der Kundenbetreuung tätig und arbeitet in einer Agentur, die bestenfalls in
Insiderkreisen bekannt ist. Noch dazu liegt sie 30 km außerhalb von Düsseldorf,
in einer Stadt, die bundesweit nicht mit Werbung in Verbindung gebracht wird. Mein
ehemaliger Studienkollege Pascal hingegen arbeitet in einer Agentur im
Düsseldorfer Medienhafen. Sie hat zwar einen großen Namen, ihre große Zeit scheint
aber hinter ihr zu liegen. Was hat es also auf sich mit den Namen und dem Bild,
welches man von einer Agentur hat?
Ich erzählte von meinen ersten Eindrücken in meiner neuen
Agentur. Davon, dass wir auf der Grundlage von über zwanzig Jahren
erfolgreicher Kommunikationsarbeit diesen Weg nun weiter ausbauen und uns für
die Zukunft aufstellen. So kamen wir zu der Frage, wie hilfreich das Image
einer Agentur für deren Neugeschäft ist. Was ist es überhaupt, was „der Kunde“
heute sucht?
Pascal erzählte, dass der Name seiner Agentur immer noch gut
funktionieren würde. Es sei zwar festzustellen, dass er unter den
„nachwachsenden“ CMO’s nicht mehr dieselbe Wirkung hätte, wie er sie von der
älteren Generation her kennt, aber er steht immer noch für gute Arbeit und
große Kampagnen. Zumindest bewährt er sich immer noch als Türöffner. Genau
diesen Türöffner vermisst Mark. Wenn er mit Entscheidern auf Kundenseite
spricht, kann er kaum auf irgendein Image oder gar gelerntes Wissen bauen,
welches mit seiner Agentur in Zusammenhang gebracht wird.
Stephanie, die Partnerin von Mark, überrascht mit der Frage,
was eine Agentur denn überhaupt ausmacht. Sie arbeitet in der Verwaltung einer
Klinik und da achtet man auf die technische Ausstattung und darauf, welches
Image die Klinik in Bezug auf bestimmte Therapiefelder hat. Gute Frage!
Claudia, die Freundin von Pascal, berichtet darüber, dass der Notar, für den
sie arbeitet, hauptsächlich von dem Netzwerk profitiere, das er sich aufgebaut
hat. Er verfüge zwar über profunde Kenntnisse in Bezug auf Markenrechte etc., aber
sie habe den Eindruck, dass die wenigsten Mandanten das überhaupt erkennen und
beurteilen können. Ihnen reiche das gute Gefühl der gezielten Empfehlung scheinbar
völlig aus.
Wir „Jungs“ schauen uns an und stellen eine gewisse
Unsicherheit fest. Ja, was ist es denn, was eine Agentur wirklich ausmacht? Die
technische Einrichtung, analog zu der Klinik von Stephanie ist es eher nicht.
Das Know-how, analog zu Claudias Notar spielt dabei sicherlich eine Rolle. Es
wird aber selten als Spezialisierung herausgestellt und aktive Empfehlungen sind
in der Agenturszene ja auch eher die Ausnahme. Wir geben uns wirklich Mühe, den
Markenkern einer typischen Kommunikationsagentur zu definieren. Heraus kommt
dabei, dass eine Agentur ein Konglomerat aus Unternehmensberatung und
Manufakturbetrieb darstellt. Und in der Summe stets ein auf Personen
begründetes Leistungsversprechen verkauft.
Und damit zeigt sich ja schon das Dilemma, welches wir in
unseren Neugeschäftsaktivitäten immer wieder spüren. Sucht der Auftraggeber in Zeiten
des unüberschaubaren Angebotes nicht nach etwas anderem als dem, was wir ihm so
anbieten? Wie zum Beispiel der Sicherheit, auch seinen internen Widersachern
gegenüber argumentieren zu können, warum er gerade uns als Agentur gewählt hat?
Wie ist es bestellt mit der Agenturmarke, von der so gerne gesprochen wird? Wer
kann diesen Anspruch als Agentur wirklich erfüllen und wodurch? Wir erinnern
uns daran, was wir auf der Uni dazu lernten. Hans Domizlaff definierte Marke
als „Anspruch auf Sicherung einer Monopolstellung in der Psyche des Kunden“.
Was für ein Anspruch! Schnell tauchten Beispiele wie
„Heimat“ oder „Jung von Matt“ auf. Selbst an „Springer & Jacoby“ erinnerten
wir uns noch oder an Personen wie Thomas Rempen oder Michael Schirner. Wir waren
uns nicht so ganz einig darüber, ob der ehemals große Name „von Mannstein“ der
heute noch existierenden Agentur immer noch hilft.
Fest stand für uns allerdings, dass ein markenähnlicher
Anspruch und ein positives Image dem Neugeschäft einer Agentur extrem nutzen.
Und darüber hinaus wird es auch immer wichtiger, um qualifizierte Mitarbeiter
anzuziehen. Und damit schließt sich wieder der Kreis. Denn was ist eine Agentur
anderes als die gebündelte Kompetenz all ihrer Mitarbeiter?
Die große Herausforderung scheint zu sein, die Agentur - abgekoppelt
von einzelnen Personen - als etwas Besonderes, Eigenständiges erscheinen zu
lassen. In ihrer Wirkung verlässlich und unabhängig von den jeweiligen Personen,
die diese Wirkung erzeugen.
Das Gespräch wirkt bei mir nach. Ich sitze an meinem
Schreibtisch und erkenne, dass meine jetzige Agentur so gar nicht im Fokus der
Branche steht. Veranstaltet die w&v oder HORIZONT bspw. Umfragen unter
Agenturleuten, wird weder Rainer König noch Silke Sommer befragt. Berichtet die
Presse über Crea-, Clio-, Effi oder sonstige Awards, tauchen wir in diesen
Nachrichten auch nicht auf. Wie soll so eine Monopolstellung in der Psyche
unserer Auftraggeber entstehen und wie argumentiert unser Auftraggeber
eigentlich bezüglich der Zusammenarbeit mit uns gegenüber seinen Kollegen,
Gremien und Freunden?
Okay. Mein Spickzettel für das nächste Meeting mit meinen
Geschäftsführern ist um einen weiteren Punkt angereichert: deren Verständnis in
Bezug auf die eigene Agenturmarke.
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