Samstag, 23. Februar 2019

7. Überlegungen zur Agenturmarke

Gestern Abend traf ich mich mit zwei ehemaligen Studienkollegen und ihren Partnerinnen. Beide arbeiten ebenfalls in Agenturen und wollten natürlich wissen, wie ich es denn in meiner neuen Agentur angetroffen habe. Für beide war ich - dank der großen Bekanntheit meines ehemaligen Arbeitgebers - immer eine beneidenswerte Person. Folglich war ihnen mein Wechsel ziemlich unverständlich. Auch Argumente wie „neue Herausforderung“, „bessere Bezahlung“, „gewünschter Standort“ etc. konnten sie nicht überzeugen.


Das größte Unverständnis entstand wohl aus dem Aspekt, dass meine neue Agentur „Boncreativa“ kaum einer kennt und sie offenbar für nichts steht. Mein ehemaliger Studienkollege Mark kennt diese Situation nur zu gut. Er ist selbst in der Kundenbetreuung tätig und arbeitet in einer Agentur, die bestenfalls in Insiderkreisen bekannt ist. Noch dazu liegt sie 30 km außerhalb von Düsseldorf, in einer Stadt, die bundesweit nicht mit Werbung in Verbindung gebracht wird. Mein ehemaliger Studienkollege Pascal hingegen arbeitet in einer Agentur im Düsseldorfer Medienhafen. Sie hat zwar einen großen Namen, ihre große Zeit scheint aber hinter ihr zu liegen. Was hat es also auf sich mit den Namen und dem Bild, welches man von einer Agentur hat?

Ich erzählte von meinen ersten Eindrücken in meiner neuen Agentur. Davon, dass wir auf der Grundlage von über zwanzig Jahren erfolgreicher Kommunikationsarbeit diesen Weg nun weiter ausbauen und uns für die Zukunft aufstellen. So kamen wir zu der Frage, wie hilfreich das Image einer Agentur für deren Neugeschäft ist. Was ist es überhaupt, was „der Kunde“ heute sucht?

Pascal erzählte, dass der Name seiner Agentur immer noch gut funktionieren würde. Es sei zwar festzustellen, dass er unter den „nachwachsenden“ CMO’s nicht mehr dieselbe Wirkung hätte, wie er sie von der älteren Generation her kennt, aber er steht immer noch für gute Arbeit und große Kampagnen. Zumindest bewährt er sich immer noch als Türöffner. Genau diesen Türöffner vermisst Mark. Wenn er mit Entscheidern auf Kundenseite spricht, kann er kaum auf irgendein Image oder gar gelerntes Wissen bauen, welches mit seiner Agentur in Zusammenhang gebracht wird.

Stephanie, die Partnerin von Mark, überrascht mit der Frage, was eine Agentur denn überhaupt ausmacht. Sie arbeitet in der Verwaltung einer Klinik und da achtet man auf die technische Ausstattung und darauf, welches Image die Klinik in Bezug auf bestimmte Therapiefelder hat. Gute Frage! Claudia, die Freundin von Pascal, berichtet darüber, dass der Notar, für den sie arbeitet, hauptsächlich von dem Netzwerk profitiere, das er sich aufgebaut hat. Er verfüge zwar über profunde Kenntnisse in Bezug auf Markenrechte etc., aber sie habe den Eindruck, dass die wenigsten Mandanten das überhaupt erkennen und beurteilen können. Ihnen reiche das gute Gefühl der gezielten Empfehlung scheinbar völlig aus.

Wir „Jungs“ schauen uns an und stellen eine gewisse Unsicherheit fest. Ja, was ist es denn, was eine Agentur wirklich ausmacht? Die technische Einrichtung, analog zu der Klinik von Stephanie ist es eher nicht. Das Know-how, analog zu Claudias Notar spielt dabei sicherlich eine Rolle. Es wird aber selten als Spezialisierung herausgestellt und aktive Empfehlungen sind in der Agenturszene ja auch eher die Ausnahme. Wir geben uns wirklich Mühe, den Markenkern einer typischen Kommunikationsagentur zu definieren. Heraus kommt dabei, dass eine Agentur ein Konglomerat aus Unternehmensberatung und Manufakturbetrieb darstellt. Und in der Summe stets ein auf Personen begründetes Leistungsversprechen verkauft.

Und damit zeigt sich ja schon das Dilemma, welches wir in unseren Neugeschäftsaktivitäten immer wieder spüren. Sucht der Auftraggeber in Zeiten des unüberschaubaren Angebotes nicht nach etwas anderem als dem, was wir ihm so anbieten? Wie zum Beispiel der Sicherheit, auch seinen internen Widersachern gegenüber argumentieren zu können, warum er gerade uns als Agentur gewählt hat? Wie ist es bestellt mit der Agenturmarke, von der so gerne gesprochen wird? Wer kann diesen Anspruch als Agentur wirklich erfüllen und wodurch? Wir erinnern uns daran, was wir auf der Uni dazu lernten. Hans Domizlaff definierte Marke als „Anspruch auf Sicherung einer Monopolstellung in der Psyche des Kunden“.

Was für ein Anspruch! Schnell tauchten Beispiele wie „Heimat“ oder „Jung von Matt“ auf. Selbst an „Springer & Jacoby“ erinnerten wir uns noch oder an Personen wie Thomas Rempen oder Michael Schirner. Wir waren uns nicht so ganz einig darüber, ob der ehemals große Name „von Mannstein“ der heute noch existierenden Agentur immer noch hilft.

Fest stand für uns allerdings, dass ein markenähnlicher Anspruch und ein positives Image dem Neugeschäft einer Agentur extrem nutzen. Und darüber hinaus wird es auch immer wichtiger, um qualifizierte Mitarbeiter anzuziehen. Und damit schließt sich wieder der Kreis. Denn was ist eine Agentur anderes als die gebündelte Kompetenz all ihrer Mitarbeiter?

Die große Herausforderung scheint zu sein, die Agentur - abgekoppelt von einzelnen Personen - als etwas Besonderes, Eigenständiges erscheinen zu lassen. In ihrer Wirkung verlässlich und unabhängig von den jeweiligen Personen, die diese Wirkung erzeugen.

Das Gespräch wirkt bei mir nach. Ich sitze an meinem Schreibtisch und erkenne, dass meine jetzige Agentur so gar nicht im Fokus der Branche steht. Veranstaltet die w&v oder HORIZONT bspw. Umfragen unter Agenturleuten, wird weder Rainer König noch Silke Sommer befragt. Berichtet die Presse über Crea-, Clio-, Effi oder sonstige Awards, tauchen wir in diesen Nachrichten auch nicht auf. Wie soll so eine Monopolstellung in der Psyche unserer Auftraggeber entstehen und wie argumentiert unser Auftraggeber eigentlich bezüglich der Zusammenarbeit mit uns gegenüber seinen Kollegen, Gremien und Freunden?

Okay. Mein Spickzettel für das nächste Meeting mit meinen Geschäftsführern ist um einen weiteren Punkt angereichert: deren Verständnis in Bezug auf die eigene Agenturmarke.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen