Samstag, 29. Juni 2019

25. Das Briefing

Heute ist ein Tag, auf den ich mich schon seit fast drei Wochen freue. Wir wurden aufgrund unserer Bewerbung zur Teilnahme an einer Ausschreibung zu einem Briefing eingeladen. Es handelt sich dabei um eine Messegesellschaft, die B2B-Messen durchführt und sich offenbar für unser Know-how in Sachen Maschinenbau interessiert. Gleich der erste Kontakt war anders als gewohnt. Wir erhielten eine Mail von einem Agenturscout, der sich – zunächst – als Hauptansprechpartner empfahl und uns zwei Terminvorschläge machte. Als ich daraufhin den Termin mit ihm verabredete, merkte ich, dass ich mit diesem Projekt wieder „ein Stück Neuland“ betreten würde. Es entstand in mir der Anspruch, das Neue gleichzeitig zur Überprüfung der bisherigen Verfahrensweise bei Briefings zu nutzen und in diesem Fall besonders sorgfältig und bewusst vorzugehen.

Rainer König und Silke Sommer bestimmten gleich das Projektteam. Es enthielt neben mir – als Projektleiter – Sabine Kurz für die strategischen Aspekte und Ulrike Matuschek für die gestalterischen Gesichtspunkte. Obendrein sollte Annelie Scheuka noch den Blick auf die digitalen Aspekte legen. In einem speziellen Projektmeeting stimmten wir uns dahingehend ab, dass jeder – bezogen auf sein Aufgabengebiet – eine eigene Checkliste entwickelt, die er als Grundlage für das Briefing nutzen wird. Da wir vor dem Termin noch nicht wissen können, welcher Qualität der Input ist, den wir von dort „freiwillig“ bekommen, wollen wir uns auf diese Weise absichern. Schließlich ist in dieser Phase nichts wichtiger, als den Auftraggeber in seinen Ansprüchen und Erwartungen klar zu verstehen. So entwickelte Sabine ihren Fragenkatalog rund um die Positionierung, die bereits angedachten oder durchgeführten Maßnahmen sowie die Ziele der zu entwickelnden Maßnahme. Ulrikes Katalog formuliert Fragen zur Corporate Identity, zu Formalien des Corporate Designs, zu Claims, einem möglicherweise bevorzugten Sprachstil, usw.  Annelies Fragenkatalog handelt vom Einsatz digitaler Medien und welche Politik diesbezüglich verfolgt werden soll. Mein Fragenkatalog betrifft die organisatorischen und formalen Abläufe, die wir im Laufe des Verfahrens zu beachten haben. In einem kurzen Nachfolgemeeting stimmten wir die Fragen untereinander ab, um eventuelle Überschneidungen zu verhindern. Diese traten aber überraschend selten auf. Dann beschlossen wir noch gemeinsam, möglichst viele der Informationen, die wir erhalten möchten, bereits im Vorfeld zu recherchieren. Aber nicht, um diese direkt als Fakt zu registrieren, sondern um bei der Frage danach bereits einen informierten Eindruck zu machen, bzw. die Frage noch etwas justieren zu können.
Wie wertvoll diese Vorbereitung war, bemerken wir direkt, als wir bei der Messegesellschaft eintreffen. Pünktlich werden wir auf eine sehr angenehme und professionelle Weise empfan-gen und gleich in den Konferenzraum geführt. Neben Sabine, Ulrike, Annelie und mir sind dort die Marketingleiterin, der Werbe- und Protokollchef, die Kommunikationschefin, der Produktmanager, der Einkaufsleiter und der Agenturscout anwesend. Da dem Agenturscout offenbar die Organisation obliegt, begrüßt er uns. Es folgt eine extra kurze Vorstellungs-runde, in der es nur darum geht, wer für was zuständig ist. Auf Agentur- wie auf Auftragge-berseite. „Präsentieren“ im eigentlichen Sinne müssen wir uns nicht mehr, da wir ja bereits in der Auswahl jener (fünf) Agenturen sind, die am Auswahlverfahren teilnehmen.
Danach wird ein schriftliches Briefing in Form eines Booklets verteilt. Es macht schon rein formal einen guten Eindruck. Der Agenturscout in seiner Moderatorenfunktion fordert uns auf, dieses Briefing jetzt gleich in Augenschein zu nehmen. Im Anschluss daran haben wir die Möglichkeit, unsere Fragen an die anwesenden Teilnehmer zu stellen. Die Dauer unseres Termins ist auf 60 Minuten festgelegt und wurde ja bereits kommuniziert. Von nun an steuern wir den weiteren Verlauf der Veranstaltung!
12 Minuten sind bereits für die Begrüßung und Vorstellungsrunde vergangen. Ich bedanke mich und verständige mich mit meinem Team, dass wir das erhaltene Briefing jetzt durch-arbeiten. Jeder achtet dabei auf sein Gebiet und die von ihm bereits vorbereiteten Fragen.
Es tritt eine sofortige Ruhe ein. Während mein Team und ich lesen und mit Textmarkern, Stiften und Klebezetteln agieren, verhalten sich die Vertreter der Messegesellschaft sowie der Agenturscout sehr rücksichtsvoll und ruhig. Nachdem ich eine erste Übersicht gewonnen habe, mache ich den Vorschlag, dass wir in ca. 15 Minuten mit unseren konkreten Fragen beginnen. Das gibt den Vertretern der Messegesellschaft die Möglichkeit, den Raum auch zu verlassen, und dies wird auch gerne angenommen.
Einmal mehr bewahrheitet sich die Erkenntnis, dass Fakten schneller erkannt werden, wenn man konkret auf sie achtet. Da wir die „Arbeit“ obendrein unter uns aufteilen können, werden wir auch mit diesem schon sehr reichhaltigen Briefing gut fertig.
Nach den 15 Minuten moderiert der Agenturscout die Weiterführung des Treffens mit den Worten an, dass er so etwas noch nicht erlebt habe. Noch nie habe sich ein Agenturteam in einer solchen Situation spontan so tief in ein Briefing eingearbeitet. Ich werte das als ein Kompliment.  
Viele unserer Fragen werden in dem - insgesamt sehr professionell aufbereiteten - Briefing beantwortet. Einige aber auch nicht. So ergreifen Sabine, Ulrike, Annelie und ich wechsel-seitig die Chance, diese zu stellen und ebenfalls beantwortet zu bekommen. Die Bereitschaft dazu ist in hohem Maße gegeben. Jeder von uns spürt, dass man uns auf Augenhöhe begegnet. Mehr noch: Man scheint daran interessiert zu sein, dass wir einen möglichst guten Job machen.
Nachdem wir all unsere Fragen gestellt haben und diese mit der nötigen Sorgfalt beantwor-tet wurden, informiert uns der Einkaufsleiter darüber, dass wir natürlich auch noch über diesen Zeitpunkt hinaus Fragen stellen können. Fortan sei aber er für die weitere Kommuni-kation zuständig und er bitte, diese über das eigens dafür vorgesehene Portal zu betreiben. Aus Gründen der gesetzlich vorgeschrieben Transparenz müsse ab jetzt die Kommunikation online über das Portal laufen, damit jede der teilnehmenden Agenturen den gleichen Kenntnisstand erlangen könne.
Wir bedanken uns in dem guten Gefühl, durch die exklusiv erhaltenen Informationen einen guten Ausgangspunkt für den folgenden Pitch zu erlangen. Zum Schluss überrascht uns der Agenturscout noch mit der Information, dass die Messegesellschaft noch die Möglichkeit eines „Schulterblicks“ in der Agentur anbietet. Na, die meinen es aber wirklich ernst! Gerne gehe ich darauf ein und lege gleich den Termin dafür fest.
Auf der Heimreise herrscht eine allgemein gute Stimmung. Alle fühlen sich gefordert und hoch motiviert. Dieser Job hat ein hohes Potenzial und wir sind gut damit gestartet.

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