Wie könnte man diese Frage besser beantworten,
als es selbst auszuprobieren? Nun gilt es also, meine – bereits im Studium
erworbene – Telefonkompetenz mit in die Waagschale zu werfen und die in mich
gesetzte Erwartung auch zu erfüllen. Ich nehme den Telefonhörer also selbst in
die Hand und bin gespannt.
Zunächst schaue ich mir meine zehn Kandidaten an. Welche Messen haben sie vor sich? Wann finden
diese statt? Die XING-Profile der Kandidaten geben mir in den meisten Fällen schon
interessante Informationen dazu, über welche Berufspraxis der jeweilige Ansprechpartner
verfügt und wie lange er bereits in dieser Position ist. Diese Informationen
sind nicht unwichtig, weil ich das Gespräch mit einem ehemaligen
Agenturmitarbeiter anders führen werde, als mit einem Ansprechpartner, der noch
keine große Erfahrung in der Zusammenarbeit mit einer Agentur haben kann.
In meiner
bisherigen Akquisepraxis habe ich gelernt, dass die „Akquisitorische
Positionierung“ sitzen muss. Also das Thema, mit dem ich das Gespräch eröffne. Das
Thema muss klar und verständlich sein und gleichzeitig ausreichend Interesse
erzeugen. Ich entscheide mich für das Thema „Messekommunikation“ und spekuliere
darauf, dass es drei bis vier Monate vor der nächsten Messe der/des
Angesprochenen ausreichend Aufmerksamkeit oder sogar Interesse erzeugen wird. Schließlich notiere ich
mir noch ein paar Stichworte, mit denen ich – bei ausreichendem Interesse – zur
konkreten Verabredung der beabsichtigten Pecha Kucha-Präsentation gelangen
müsste.
Jetzt wird
es spannend. Mit einem gewissen Adrenalinschub rufe ich die erste Kandidatin
meiner ausgewählten Liste auf und wähle ihre Nummer. Da ich noch keine
Durchwahl von ihr habe, wähle ich die Zentrale an. Als diese sich meldet, frage
ich direkt nach der Durchwahl meiner gewünschten Gesprächspartnerin. Nicht
selten klappt das und ich erhalte sie direkt. In diesem Fall habe ich kein
Glück: „Die muss sie ihnen selbst geben!“ wird mir ausgerichtet. „Ich kann Sie
aber mit ihrem Vorzimmer verbinden!“ Gut, darauf gehe ich natürlich ein. Es
meldet sich Frau Kramer, offenbar die Assistentin. Ich notiere den Namen gleich
in der Datenbank-Maske. „Guten Tag Frau Kramer, mein Name ist Marcus Weiß von Boncreativa.
Ich hätte gerne Frau Oberländer gesprochen!“ „Um was geht es denn?“, will sie
wissen. Gute Assistentin! „Es geht um ihren Auftritt auf der Hannover-Messe“,
antworte ich. „Hatten Sie schon Kontakt mit Frau Oberländer?“, fragt sie
hartnäckig weiter. Ich verneine wahrheitsgemäß und stelle mich als „den Neuen“
vor. Damit bleibt unklar, ob Frau Oberländer evtl. schon Kontakt mit meiner
Firma hatte. Es funktioniert! Frau Kramer bittet mich um Geduld und verbindet.
„Oberländer!“,
ertönt es nach einiger Zeit. Dies ist jetzt also meine Chance. „Guten Tag, Frau
Oberländer“, steige ich in das Gespräch ein. „Mein Name ist Marcus Weiß von
Boncreativa. Frau Oberländer, wie interessant ist das Thema Messekommunikation
für Sie?“
Es folgt
ein Moment des Schweigens. „Warum fragen Sie mich das?“, will sie schließlich
wissen. Wunderbar! Ich liebe derartige Gegenfragen, in denen ich dazu
aufgefordert werde, mein Angebot nun in vollem Umfang darzustellen. Und ein
Angebot sollte es sein. „Wenn das Thema Messekommunikation für Sie interessant
ist, würde ich Sie gerne im Rahmen einer Pecha Kucha Präsentation über
erfolgreiche Verfahrensweisen, angefangen von der Besuchereinladung bis hin zur
Nach-Messe-Betreuung, informieren. Wie interessant wäre das für Sie?“ Wieder
ein kleiner Moment des Schweigens. „Was sagten Sie, Pecha Kucha-Präsentation?
Habe ich noch nie gehört!“ „Ja“, antworte ich, „dabei handelt es sich um ein
interessantes Präsentationsformat, bei dem exakt 20 Bildmotive für jeweils 20
Sekunden genutzt werden, um das Thema zu verdeutlichen. Wir haben dieses aus
Japan stammende Format für unsere Zwecke adaptiert und bieten es in einer
Online-Version an. Sie können es von ihrem Arbeitsplatz aus in Anspruch nehmen.
Kein Besuch unsererseits. Ihr Zeiteinsatz beträgt mit allem Drum und Dran ca. sieben
Minuten. Wir verabreden dafür einen separaten Termin. Wenn Sie vertiefenden
Gesprächsbedarf haben, stehen wir Ihnen natürlich gerne auch darüber hinaus zur
Verfügung. Wenn nicht, kennen Sie unser diesbezügliches Know-how und haben
lediglich sieben Minuten in dieses Wissen investiert.“
„Klingt
fair!“, höre ich von Frau Oberländer.
Nachfolgend
verabreden wir den Zeitpunkt für diese Präsentationsform. Obendrein kann ich
noch ein paar persönliche Daten – wie ihre persönliche E-Mail-Adresse und ihre
Durchwahlnummer – erfragen und in meine Datenbank aufnehmen. Das Gespräch endet
nach wenigen Minuten mit der konkreten Verabredung zu der angebotenen Präsentationsform.
Ich bin mir
klar darüber, dass dieses Gespräch ideal verlaufen ist und es nicht immer so
sein wird. Aber es zeigte auch, dass unsere Zielsetzung nicht unrealistisch ist
und wir durchaus auf diese Weise Erfolg haben können. Und wie sagte mein alter
Chef immer: Bei entsprechender Vorgehensweise und einer ausreichenden Anzahl
von Kontakten kann man bei der Telefonakquise den Erfolg einfach nicht
verhindern!
Ich schicke
Frau Oberländer eine Bestätigungsmail mit dem verabredeten Termin und wende
mich gleich dem nächsten Kandidaten zu. Das habe ich auch als hilfreich
erkannt; gleich weitermachen. Selbst wenn es nicht so ideal begonnen hat, wie
ich es gerade erleben durfte. Es lohnt, einen gewissen „Schwung“ aufzubauen und
diesen dann auch weiter zu nutzen. Wesentlich ist dabei immer, konkret
anzufangen!
Energiezehrend
sind die Anrufe, bei denen ich niemanden erreiche. Leider ist das die Mehrzahl
der Anwahlversuche. Hier ist es wichtig, über eine ausreichend große Anzahl von
Zielen zu verfügen, damit man das Vorhaben nicht gleich wieder – mangels Zielen
– einstellen muss.
Im weiteren
Verlauf meines „Selbstversuchs“ bleibe ich stur bei meiner immer gleichen
Einstiegsfrage. Sie ist Gold wert. Gelernt habe ich sie damals in einem
Verkaufstraining. Ehrlich gesagt verstehe ich nicht, warum Fragen allgemein so
selten für den Einstieg in ein solches Gespräch genutzt werden. Ist die Frage doch
ideal geeignet, die Gedanken des Gesprächspartners gleich zu binden und zu
fokussieren. Gut für mich!
Im weiteren
Verlauf meiner Ansprachen erlebe ich unterschiedliche Reaktionen auf meine
Einstiegsfrage. Sie lassen sich gut in vier Varianten einteilen:
- Interesse
- Desinteresse
- Gegenfragen
- Fehlende Adressqualität (Mangelnde Zuständigkeit,
keine Messeaktivität, Firmenschließung, Fusion, etc.)
Ein
Gespräch mit unserem Akquisehelfer bestätigt mich in meiner Vermutung: Er
arbeitet lieber „klassisch“ und sieht einen wesentlichen Teil seiner
Dienstleistung darin, schon zu Beginn des Gespräches „möglichst viel Agentur zu
präsentieren“. Außerdem zeigt er großes Unbehagen bei der Vorstellung, die
Reaktionen, die er mit einer Einstiegsfrage provoziert, dann abwarten zu
müssen. Er möchte die Gesprächsführung nicht „aus der Hand geben“. Es wird noch
einiges an Aufwand erfordern, ihn aus seiner Routine zu holen und von der
veränderten Vorgehensweise zu überzeugen.
Am Ende des
Tages verfüge ich jedenfalls über die Gewissheit, dass unser Ansatz
funktioniert. Als ich Silke Sommer über meine Erlebnisse informiere, erkenne
ich ein zufriedenes Lächeln in ihrem Gesicht. Irgendwie macht sie den Eindruck,
als hätte sie mit diesem Ergebnis gerechnet.
Manchmal
ist sie mir richtig unheimlich.
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