Montag, 4. Februar 2019

4. Wettbewerbsanalyse light

Von meinem ehemaligen Arbeitgeber weiß ich, dass man dort ganz bestimmte Benchmark-Agenturen definiert hatte, auf die man einen besonders starken Blick richtete. Wann immer es um strategische Entscheidungen ging, zog man auch die diesbezüglich erhobenen Daten und Erkenntnisse heran, um die eigene Entscheidung zu untermauern.
Als ich in unserem heutigen Meeting die Frage nach unseren Benchmark-Agenturen stelle, treffe ich zumindest bei Rainer König auf ein ziemliches Unverständnis. Man sei nicht seit Jahren so erfolgreich, weil man sich an anderen Marktteilnehmern orientiere. Was andere Agenturen machen, interessiere ihn wenig. Er habe von Anfang an das gemacht, was er für richtig hielt, und sei damit nicht schlecht gefahren.

Silke Sommer, die vor ihrem Einstieg in diese Agentur in einer Netzwerkagentur arbeitete, zeigte sich dieser Überlegung gegenüber schon aufgeschlossener. Dennoch erkenne ich, dass die Zeit noch nicht reif ist, derart strategisch an die Neugeschäftsarbeit heran zu gehen. Schade, ist es doch ausgesprochen hilfreich, nicht nur zu wissen wo man als Agentur steht und wo man hinmöchte, sondern auch, wie das Gelände beschaffen ist, durch welches man sich bewegen wird.

Aus meinen Recherchen weiß ich, dass es in Deutschland rund 39.000 agenturähnliche Betriebe gibt. Laut Finanzbehörde erzielen 90% dieser „Betriebe“ einen Jahresumsatz von unter 100.000€. Die kann ich wohl getrost vernachlässigen. Aber auch die verbleibenden 10% sind ein Markt, in dem man sich als Agentur nicht gerade allein aufhält. Gerne würde ich an dieser Stelle tiefer gehen, merke aber, dass meine Geschäftsleitung langsam ein wenig ungeduldig wird. Sie wünscht sich erste Ergebnisse in Punkto Neugeschäft. Dabei scheint es eine untergeordnete Rolle zu spielen, zu wem Kontakte hergestellt werden und wo diese Kontakte herkommen. Ich kann sie auch ein wenig verstehen, bin aber heilfroh, dass ich die strategisch orientierte Neugeschäftsarbeit so gründlich in meiner vorherigen Agentur erleben und erlernen durfte.

Aus zahlreichen Untersuchungen und Test ist mir bekannt, dass bestehende und sogar ehemalige Kunden wesentlich schneller für Neugeschäfte zu gewinnen sind als völlige Neukunden. Wäre das nicht ein Ansatz?! Da kommt mir eine Idee. Ich biete Silke Sommer und Rainer König an, den Kontakt zu all jenen Kunden aufzunehmen, die wir im Laufe der letzten fünf Jahre verloren haben. Mein Gesprächsziel dabei wäre, den Kontakt generell aufrechtzuhalten bzw. wieder neu aufzubauen und Informationen darüber zu erhalten, wie zufrieden man mit der aktuellen Agenturverbindung ist. Ein derartiges Vorgehen hat schon häufiger zu einer erneuten Beauftragung geführt. Silke Sommer und Rainer König reagieren darauf ebenso erstaunt wie angetan. Wir verabreden uns für einen neuen Termin, bei dem wir die Anzusprechenden definieren und weitere Details besprechen werden. Und weil die Stimmung gerade so gut ist, bitte ich um das Einverständnis das nächste Barcamp des Veranstalters Hans-Gerhard Kühn besuchen zu können. Beide hatten bereits davon gehört und ich erhalte die Zustimmung dafür. Wunderbar. Das wird mich obendrein weiterbringen, denn hier tauschen sich Agenturleute unterschiedlichster Herkunft in dem festen Glauben aus, dass sich Wissen dadurch vermehrt, dass man es teilt. Wie klug und wie zeitgemäß!

Als ich nach der Besprechung in mein Büro gehe, begegne ich Sabine, dem Senior Consultant. Sie fragt, ob ich in der Mittagspause mit zu dem Japaner kommen würde. Gerne willige ich ein.

Keine schlechte Entscheidung, wie sich später zeigt. Sie macht mir das Angebot, sie bei einigen ihrer Kundentermine begleiten zu können, um zum einen unsere Kunden einmal kennen zu lernen und zum anderen ein Gefühl dafür zu entwickeln, was man an uns schätzt. Und jeder dieser Kunden arbeite noch mit anderen Agenturen und auch das sei ja eine Informationsquelle in Punkto Markt.

Ich willige natürlich gerne ein. Gute Idee!

In der Mittagspause treffe ich dann auch auf Robert Reinhold. Er ist Freelancer und wird immer dann geholt, wenn es darum geht, für unseren Maschinenbaukunden spezifische Texte zu verfassen. Aufgrund seiner Tätigkeit und seines Status kommt er viel rum. Meine Frage, wie er uns so im Vergleich zu den anderen -ihm bekannten- Agenturen sieht, verwundert ihn zunächst. Dann gibt er mir aber schnell eine Antwort. Die Agentur verfüge über großes Know-how im Bereich der Funkenerodiertechnologie und leiste auch einen wertvollen Dienst im Bereich der Planung und Schaltung von Fachmedien rund um den Globus. Aus gemeinsamen Meetings mit dem Kunden habe er diesen Eindruck immer wieder gewonnen. Ansonsten würde er mir mal den Tipp geben, im Internet nach Agenturen zu suchen, die über ein ähnliches Branchen-Know-how und ähnliche Leistungsmerkmale wie wir verfügen. Gute Idee!

Eine in jeder Hinsicht gehaltvolle Mittagspause! Beim Betreten der Agentur gelingt es mir obendrein, Natalie für einen Spezialauftrag zu gewinnen. Ich entwickle mit ihr eine kurze Liste von Branchen- und Methodenkenntnissen, anhand derer sie im Internet nach Agenturen recherchieren soll. Ich bin froh, dass ich sie dafür begeistern kann, denn ich weiß, wie mühsam und zeitaufwändig derartige Recherchen sind. Im Gegenzug nehme ich sie heute Abend mit auf die After-Work-Party im Hafen. Dieser Teil der Verhandlung war nicht schwierig!

Etwas später kommt Silke Sommer zu mir und fragt an, ob ich sie am Donnerstag in den Marketingclub begleiten möchte. Ich sage zu. Natürlich ist mir klar, dass ein Besuch des Marketingclubs nur den Blick auf einen sehr kleinen Teil des Marktes lenkt. Aber immerhin.

Kein schlechtes Ergebnis für einen Tag, denke ich mir. Vor allem habe ich den Grundstein für eine solide Neugeschäftsarbeit legen können, die eben nicht nur auf Vermutungen und selbsterfüllenden Prophezeiungen beruht.

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