Samstag, 9. Februar 2019

5. Der Schnellstart

Mehrere Wochen sind nun seit meinem Einstieg bei Boncreativa vergangen. Ich habe mich recht gut eingelebt und auch seitens meiner Kolleginnen und Kollegen ist eine erste Aufgeschlossenheit für meine Tätigkeit zu erkennen. 
Allerdings muss ich in Meetings immer wieder erleben, dass -mehr oder weniger direkt- die Erfolgs-meldungen aus meinem Bereich vermisst werden. Meist ist es Rainer König, der seine „Vorfreude auf künftige Etatgewinne“ zum Besten gibt. Dabei spielt es für ihn keine Rolle, dass ich weder von ihm noch von Silke Sommer eine wirklich funktionale Zielsetzung für meine Neugeschäftsarbeit erhielt, von einer Positionierung der Agentur mal ganz zu schweigen. Ungeachtet dessen werden die interessanten Neukontakte zu den richtigen (!) Ansprechpartnern aber erwartet. 

Wie ich von ehemaligen Studienkollegen -die heute in ähnlichen Funktionen sind wie ich- weiß, ist dieses Ansinnen weit verbreitet. Chefs scheuen gerne den -zugegebenerweise- hohen Aufwand der Selbstanaly-se und in Sachen Zielformulierung legen sie sich auch nicht so gerne fest. In ihrem Verständnis ist die Welt voller bedürftiger Auftraggeber, für die die Agentur allesamt gute Arbeit leisten könnte. Unsereins soll sie nur rasch finden und angemessen über die Leistungen der Agentur informieren!

Ein wirkliches Dilemma, denn wenn sich Neugeschäft nicht ausschließlich kurzfristig, sondern strategisch –und damit dauerhaft- entwickeln soll, dann ist ein derart aktionistischer Ansatz nicht zielführend.

Also gut. Erfolge müssen her. Erste Ansätze haben sich schon durch die Telefonate mit ehemaligen Kunden ergeben. Es ist immer wieder erstaunlich, welche unerwarteten Umsatzpotenziale sich hier auftun. Und noch ein interessanter Punkt: In einigen Gesprächen mit aktuellen Kunden, denen ich beiwohnen durfte, fielen mir Ansätze für Projekterweiterungen oder gar Neuprojekte auf, die der Kundenverantwortliche selbst glatt zu überhören schien. Also auch hier lohnt sich eine geschärfte Wahrnehmung.

Wie geht man nun aber vor, wenn man neue Kunden so völlig ohne Anforderungsprofil und quasi aus dem Nichts gewinnen möchte? Meine Antwort: Ich gehe dorthin, wo Aufträge bereits definiert sind und nur noch auf deren Erfüller warten. Auf den Markt! Genauer: Dorthin, wo öffentliche Auftraggeber ihre Aufträge ausschreiben, weil sie dazu gesetzlich verpflichtet sind. So muss jede Behörde, jede Verwal-tung, jedes Stadtwerk oder jedes Unternehmen mit einem öffentlichen Anteilseigner Agenturaufträge ausschließlich per Ausschreibung vergeben.

Allerdings ist das so eine Sache mit den Ausschreibungen. Man sollte sich da schon ein wenig mit be-schäftigen, bevor man sich daran beteiligt. In meiner alten Agentur fand zu diesem Thema einmal eine Weiterbildung statt. Man hatte erkannt, dass interessante Kulturprojekte, öffentliche Rundfunkanstal-ten, kommunikationsintensive Ministerien und so ziemlich jede Messegesellschaft nur über diesen Weg der Öffentlichen Ausschreibung gewonnen werden kann. Also verpflichtete man den Berater Manfred Berger (Agenturscouts), um beteiligte Mitarbeiter in die Feinheiten der Öffentlichen Ausschreibung einzuweisen. Ein interessanter Punkt, der bei mir hängen blieb, ist, dass man sich bei der Auswahl von Ausschreibungen auf die „Oberschwelligen“ konzentrieren soll. Jene, die eine Größenordnung von mindestens 209.000€ haben und deshalb dem EU-Vergaberecht unterliegen. Hier sind nämlich all jene „Mauscheleien“ ausgeschlossen, die einige Bieter bei "unterschwelligen" Ausschreibungen schon erleben mussten und die wahrscheinlich dafür verantwortlich sind, dass diese Form der Auftragsbeschaffung im Agenturbereich alles andere als normal ist.

Aber wo erlebt man es schon, dass konkrete Aufträge angezeigt werden, die innerhalb weniger Monate oder gar Wochen zur Umsetzung ausstehen? Selbst nach gewonnenen Pitches in der freien Wirtschaft vergehen oft Monate, bis es endlich losgeht. Die Solvenz der öffentlichen Auftraggeber steht außer Frage und die Bedingungen für eine Zusammenarbeit sind definiert und transparent. Was viele nicht wissen, ist, dass die gesamte Architektur von Ausschreibungen darauf ausgelegt ist, dass gerade kleine und mittelständische Bieter die Chance erhalten, für öffentliche Auftraggeber zu arbeiten. Es soll gerade vermieden werden, dass sich immer nur „die Großen“ um öffentliche Aufträge bemühen. Übrigens ist es auch nicht zutreffend, dass bei einer Ausschreibung immer nur das billigste Angebot gewinnt. Die Ausschreibungsunterlagen suchen vielmehr das „wirtschaftlich günstigste Angebot“ und das ist etwas gänzlich anderes.

In Ermangelung fehlender Vorgaben werde ich mich nun also erst einmal damit beschäftigen, welche Auftraggeber eine Agentur mit unserem Leistungsspektrum suchen. Da habe ich dann auch gleich in den Meetings mehr zu erzählen.

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