Mein nächster Test gilt der Agentur-Homepage. Natürlich kenne ich diese noch aus meiner Bewerbungsphase. Interessant ist aber, dass sie mir heute –aus der Sicht des Mitarbeiters- so erscheint, als würde sie die Agentur nicht wirklich repräsentieren. Hinweise darauf, für was die Agentur steht und welchen Purpose sie erfüllt, fehlen.
Und im Innenverhältnis? Ich begebe mich in das eine und andere
Büro meiner neuen Kollegen und spreche mit ihnen über ihre Sicht auf die
Agentur und die Art und Weise der Kundenbeziehungen. Bei den meisten stoße ich damit
zunächst einmal auf eine gewisse Skepsis. „Will der uns kontrollieren?“,
scheinen sich viele zu denken. Andere hingegen präsentieren mir einzelne
Arbeiten mit großem Stolz. Nicht selten jedoch mit dem Hinweis, dass man sie ja
noch lieber mit der und der Änderung umgesetzt hätte, „…aber der Kunde!“.
Mittags gehe ich mit Annika, einer jungen, sehr engagierten
Account Managerin essen. Sie spricht von ihrem Empfinden, dass die Agentur kein
wirklich eigenes Profil hat und viel zu schnell auf die Vorstel-lungen von
Kunden eingeht. Ich versuche, ihr zu erläutern, dass das für ein
Dienstleistungsunternehmen, welches eine Agentur ja nun mal ist, nicht falsch
sein muss. Sie bleibt aber beharrlich. Zwar sei sie noch jung und nicht so
erfahren, aber sie orientiere sich an Vorbildern wie einem David Ogilvy. Der
habe schließlich gezeigt, wie man es auch anders machen könne, und wäre sicher
nicht per Zufall zu dem geworden, was er war. Als ich gerade mit den „anderen
Zeiten“ argumentieren will, fällt mir auf, dass sie gar nicht so falsch liegt
mit ihrer Einstellung. Habe ich es nicht selbst erlebt, dass mein letzter
Arbeitgeber Kunden sogar aus der laufenden Zusammenarbeit heraus verabschiedet
hat, weil die Auffassungen über wirksam und weniger wirksam zu weit auseinander
lagen? Das muss man sich natürlich leisten können! Mich beschleicht das Gefühl,
dass sich unsere Agentur das vermutlich nicht leisten könnte. Schon deshalb
nicht, weil sie nicht täglich unaufgefordert Anfragen von Interessenten erhält,
aus denen sie nur die „Passenden" heraussuchen muss. Schließlich fügte
meine neue Kollegin noch hinzu: „Unmöglich ist nur, was man nicht versucht.“
Hätte schon Reinhold Messner behauptet. Respekt!
Weitere Recherchen ergeben, dass sich meine neue Agentur sehr tief
in die Themen ihrer Kunden einzuarbeiten weiß. Gerade Silke Sommer arbeitet
sehr analytisch und geht Aufgaben umfassend und weit über den aktuellen Bedarf
hinaus an. Ihre Kunden scheinen das mit hoher Loyalität zu honorieren. Die
beiden langjährigsten Kunden der Agentur werden von ihr und ihren Teams
betreut. Schade, dass es hierzu nichts gibt; keine Kundenbefragung, keine
Referenzaussage oder ähnliches ist auffindbar.
In einer weiteren Betrachtung schaue ich mir an, wie in der
Agentur gearbeitet wird. Ich erstelle einen Ablaufplan, der die einzelnen
Schritte und Wege eines Jobdurchgangs dokumentiert. Die Begeisterung meiner
neuen Kollegen, mich in dieser Arbeit zu unterstützen, fällt sehr verhalten
aus. Bis auf das erfreuliche Ergebnis, dass die Agentursoftware konsequent
genutzt wird, fördert diese Betrachtung aber keine signifikanten Besonderheiten
zu Tage.
Anders sieht es da bei einer Auswertung der einzelnen Jobs aus,
die die Agentur erbracht hat. Verglichen mit dem, was ich aus meiner alten
Agentur kenne, bietet mein jetziger Arbeitgeber Lösungen in gänzlich anderen Bereichen an. Ich stelle das beispielsweise bei der Analyse eines
Messeprojektes fest. Da kümmerte sie sich nicht nur um die Ausstattung des
Messestandes mit allen für das Branding erforderlichen Werbemitteln, sondern
wirkte bspw. auch bei der Formulierung eines klaren Messezieles mit.
Hieraus entstanden dann Aufgaben wie die Einladung und Anbindung von
Besuchern weit im Vorfeld per Social Media Kampagne. Und da die Gewinnung
qualifizierter Leads zum zentralen Messeziel erklärt wurde, wurde ein Leitfaden
für das Standpersonal entwickelt, der auch auf die Besonderheiten der EuDSGVO bei
der Generierung von Besucherdaten einging. Obendrein verpflichtete man einen Verkaufstrainer
für den Vorabend der Messeeröffnung, der das Standpersonal final motivierte und
in Bezug auf die Besucheransprache qualifizierte.
Derzeit entsteht bei mir der Eindruck, dass die Agentur sehr
klassisch vorgeht und gerne in der analogen Welt lebt. Warum auch nicht?! In
der heutigen Zeit ist das ja beinahe schon wieder eine Alleinstellung.
Je tiefer ich einsteige, desto mehr beginnt mich dieser neue Job
zu begeistern.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen