Sonntag, 3. Februar 2019

3. Profil ermitteln

Seit Tagen arbeite ich mich nun durch die diversen Ansprachen potenzieller Interessenten und katalogisiere die Versprechungen, die ihnen gemacht wurden. Meist handelt es sich dabei um Mailings mit diversen Beigaben. Allen liegt eine erkennbare Idee zugrunde. Alle verfügen über gewisse Überraschungsmomente und sind sehr anspruchsvoll in ihrer Erscheinung. Allerdings lässt keines davon erkennen, dass es sich an einer konkreten Interessenlage des Angesprochenen ausrichtet. Vielmehr folgen sie dem agenturtypischen Bestreben sich in der ganzen Vielfalt ihrer Leistungen darzustellen. Ich beobachte an mir, wie vergeblich dieser Versuch auf mich wirkt, da ich ihn (noch) quasi als Außenstehender erlebe.

Mein nächster Test gilt der Agentur-Homepage. Natürlich kenne ich diese noch aus meiner Bewerbungsphase. Interessant ist aber, dass sie mir heute –aus der Sicht des Mitarbeiters- so erscheint, als würde sie die Agentur nicht wirklich repräsentieren. Hinweise darauf, für was die Agentur steht und welchen Purpose sie erfüllt, fehlen.

Und im Innenverhältnis? Ich begebe mich in das eine und andere Büro meiner neuen Kollegen und spreche mit ihnen über ihre Sicht auf die Agentur und die Art und Weise der Kundenbeziehungen. Bei den meisten stoße ich damit zunächst einmal auf eine gewisse Skepsis. „Will der uns kontrollieren?“, scheinen sich viele zu denken. Andere hingegen präsentieren mir einzelne Arbeiten mit großem Stolz. Nicht selten jedoch mit dem Hinweis, dass man sie ja noch lieber mit der und der Änderung umgesetzt hätte, „…aber der Kunde!“.

Mittags gehe ich mit Annika, einer jungen, sehr engagierten Account Managerin essen. Sie spricht von ihrem Empfinden, dass die Agentur kein wirklich eigenes Profil hat und viel zu schnell auf die Vorstel-lungen von Kunden eingeht. Ich versuche, ihr zu erläutern, dass das für ein Dienstleistungsunternehmen, welches eine Agentur ja nun mal ist, nicht falsch sein muss. Sie bleibt aber beharrlich. Zwar sei sie noch jung und nicht so erfahren, aber sie orientiere sich an Vorbildern wie einem David Ogilvy. Der habe schließlich gezeigt, wie man es auch anders machen könne, und wäre sicher nicht per Zufall zu dem geworden, was er war. Als ich gerade mit den „anderen Zeiten“ argumentieren will, fällt mir auf, dass sie gar nicht so falsch liegt mit ihrer Einstellung. Habe ich es nicht selbst erlebt, dass mein letzter Arbeitgeber Kunden sogar aus der laufenden Zusammenarbeit heraus verabschiedet hat, weil die Auffassungen über wirksam und weniger wirksam zu weit auseinander lagen? Das muss man sich natürlich leisten können! Mich beschleicht das Gefühl, dass sich unsere Agentur das vermutlich nicht leisten könnte. Schon deshalb nicht, weil sie nicht täglich unaufgefordert Anfragen von Interessenten erhält, aus denen sie nur die „Passenden" heraussuchen muss. Schließlich fügte meine neue Kollegin noch hinzu: „Unmöglich ist nur, was man nicht versucht.“ Hätte schon Reinhold Messner behauptet. Respekt!

Weitere Recherchen ergeben, dass sich meine neue Agentur sehr tief in die Themen ihrer Kunden einzuarbeiten weiß. Gerade Silke Sommer arbeitet sehr analytisch und geht Aufgaben umfassend und weit über den aktuellen Bedarf hinaus an. Ihre Kunden scheinen das mit hoher Loyalität zu honorieren. Die beiden langjährigsten Kunden der Agentur werden von ihr und ihren Teams betreut. Schade, dass es hierzu nichts gibt; keine Kundenbefragung, keine Referenzaussage oder ähnliches ist auffindbar.   

In einer weiteren Betrachtung schaue ich mir an, wie in der Agentur gearbeitet wird. Ich erstelle einen Ablaufplan, der die einzelnen Schritte und Wege eines Jobdurchgangs dokumentiert. Die Begeisterung meiner neuen Kollegen, mich in dieser Arbeit zu unterstützen, fällt sehr verhalten aus. Bis auf das erfreuliche Ergebnis, dass die Agentursoftware konsequent genutzt wird, fördert diese Betrachtung aber keine signifikanten Besonderheiten zu Tage.
Anders sieht es da bei einer Auswertung der einzelnen Jobs aus, die die Agentur erbracht hat. Verglichen mit dem, was ich aus meiner alten Agentur kenne, bietet mein jetziger Arbeitgeber Lösungen in gänzlich anderen Bereichen an. Ich stelle das beispielsweise bei der Analyse eines Messeprojektes fest. Da kümmerte sie sich nicht nur um die Ausstattung des Messestandes mit allen für das Branding erforderlichen Werbemitteln, sondern wirkte bspw. auch bei der Formulierung eines klaren Messezieles mit. Hieraus entstanden dann Aufgaben wie die Einladung und Anbindung von Besuchern weit im Vorfeld per Social Media Kampagne. Und da die Gewinnung qualifizierter Leads zum zentralen Messeziel erklärt wurde, wurde ein Leitfaden für das Standpersonal entwickelt, der auch auf die Besonderheiten der EuDSGVO bei der Generierung von Besucherdaten einging. Obendrein verpflichtete man einen Verkaufstrainer für den Vorabend der Messeeröffnung, der das Standpersonal final motivierte und in Bezug auf die Besucheransprache qualifizierte.

Derzeit entsteht bei mir der Eindruck, dass die Agentur sehr klassisch vorgeht und gerne in der analogen Welt lebt. Warum auch nicht?! In der heutigen Zeit ist das ja beinahe schon wieder eine Alleinstellung.

Je tiefer ich einsteige, desto mehr beginnt mich dieser neue Job zu begeistern.

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