Samstag, 13. April 2019

14. Kundenverlust kündigt sich an

Ein Montagmorgen, wie er exemplarischer nicht sein könnte. Regen, Kälte, Verkehrschaos aufgrund eines Wasserrohrbruchs und eine besonders lange Schlange in dem Kaffeeladen. Als ich schließlich in der Agentur eintreffe, werde ich von Natalie angewiesen, direkt in das Büro von Silke Sommer, meiner Geschäftsführerin zu gehen. Rainer König ist bereits da.
Ohne Umschweife setzen sie mich davon in Kenntnis, dass unser langjähriger Maschinenbaukunde in absehbarer Zeit verloren gehen könnte. Er wurde von einem ausländischen Investor übernommen und keiner weiß derzeit irgendetwas in Bezug auf eine zukünftige Entwicklung. Derzeit beschäftigt dieser Kunde mindestens sechs Mitarbeiter der Agentur und einige Freie, deren Weiterbeschäftigung ohne sein Auftragsvolumen nicht möglich wäre. Daher gilt es ab sofort, gegenzusteuern und den drohenden Verlust durch einen neuen Kunden auszugleichen.

Meine Frage, ob es schon diesbezügliche Vorstellungen oder gar Kontakte gibt, wird verneint. Da haben wir ihn wieder, den Unterschied zu meinem vorherigen Arbeitgeber. Die Aufgabe heiße nun also, so Silke Sommer, für diesen Kunden so schnell wie möglich eine Alternative aufzubauen. Rainer König ergänzt, dass das Ziel der möglichst vollständige Erhalt des bestehenden Teams und der Erhalt des angestammten Know-hows sei. Man erwarte entsprechende Vorschläge von mir. Nächstes Treffen in dieser Angelegen-heit morgen um 16:30h!
Während ich mich auf den Weg in mein Büro begebe, fällt mir die Aussage des genialen Agenturberaters Siegfried A. Willing ein, der einmal behauptete, dass jeder Kunde einen potenziellen Kundenverlust darstelle. Man kenne nur noch nicht den genauen Zeitpunkt!
In meiner alten Agentur, würde man jetzt die „Warteliste“ ziehen. Sie enthielt jene Interessenten, die gerne von der Agentur betreut würden, von dieser aber aufgrund von Wettbewerbskonflikten etc. aktuell nicht bedient werden konnten. Veränderten sich die Rahmenbedingungen, wurden sie gezielt darüber informiert. Bei Boncreativa sind wir soweit noch nicht.
Was ist also zu tun? Ich beginne damit, mir die gesamten Jobs, die wir für den Maschinenbaukunden in den letzten zwei Jahren durchgeführt haben, anzusehen. Um größere Unruhe in dem Team zu vermei-den, sage ich, dass ich die Erstellung einer Case „Maschinenbau“ vorbereite. Und in der Tat, diese hätte es längst geben sollen.
Dann gilt es, den Markt der Maschinenbauer einmal grundsätzlich unter die Lupe zu nehmen. Da ich den Agenturvertrag mit unserem Kunden noch nicht kenne, kann ich bei der Auswahl potenzieller Alternativ-kunden noch keine Einschränkungen vornehmen. Ich kann aber Annika, eine unserer Account Managerinnen, dafür gewinnen, eine erste Internetrecherche durchzuführen. Besonderer Schwerpunkt dabei ist deren Messeaktivität. Denn wer dieselben Messen wie unser bestehender Kunde besucht, wird auch eine ähnliche Arbeitsauslastung für die Agentur bieten. Obendrein bitte ich darum, auf die Verwendung von Virtual Reality Anwendungen und Chatbots zu achten.
Auch Annelie, unsere Frau für Social Media, erweist sich als hilfreich. Sie hat nicht nur schon das eine oder andere Gerücht in Bezug auf die Übernahme unseres Kunden registriert, sondern erklärt sich bereit, eine erste Übersicht darüber zu erstellen, welche Maschinenbauer bereits den Kanal Social Media professionell nutzen und welche Informationen daraus zu ziehen sind.
Ich selbst begebe mich in die Detailrecherche. Welcher Maschinenbauer arbeitet mit welcher Agentur? Seit wann? Was ist darüber bekannt? Wurden Preise gewonnen oder Kampagnen prämiert? Was sagt deren Kampagne aus? Etc. 
Als ich mich dann am folgenden Tag um 16:30h in dem Büro von Silke Sommer einfinde, verfüge ich bereits über einen ersten Ansatz für die bevorstehende Akquisitionsarbeit. Ein Abgleich der Spielräume, die uns der Vertrag mit dem bestehenden Kunden lässt, mit den Vorstellungen meiner Geschäftsführer, bringt uns dabei schon auf eine deutliche Spur. Eine Liste von Maschinenbauunternehmen, die nicht in die Kampagne einbezogen werden sollen, sorgt für weitere Klarheit. Es wird die Entscheidung getroffen, dass vor dem konkreten Start der Maßnahme noch ein Meeting im erweiterten Kreis mit dem Account Management und der Kreation stattfinden soll.
Ich bin sehr zufrieden, denn auf dieser Grundlage werde ich gut arbeiten können. Zwar fehlt immer noch die generelle Aussage darüber, was uns als Agentur eigentlich ausmacht und für was wir stehen, aber bei dieser Aufgabenstellung kann ich mich wenigstens auf eine sehr aktuelle Kompetenz mit vielen Beispielen und konkreten Ergebnissen beziehen. Dennoch wird es ein Drahtseilakt, müssen wir doch die Zusammenarbeit mit unserem bestehenden Kunden hochhalten und eine plausible Argumentation für die Ansprache eines weiteren Maschinenbaukunden finden.
Das Gute: Wir reagieren zwar in Bezug auf die Veränderung beim Kunden, aber wir agieren unmittelbar und verbinden die Situation gleich mit einer „Flucht nach vorne“. Bin gespannt, wie dieser Prozess verlaufen wird.

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