Samstag, 6. April 2019

13. Intensität der Ansprache

In dieser Nacht (Freitag/Samstag) hatte ich eine Begegnung der besonderen Art. Ich wohne in der Düsseldorfer Altstadt; zwischen Bolker Straße und dem Ratinger Tor. Ich liebe diese Location, da sie zentraler nicht sein könnte. Wenige Gehminuten bis ins Büro oder ins pralle Nachtleben. Und neben den vielen Touristen – speziell in der Bolker Straße –  besteht sie immer noch aus vielen „Düsseldorfer Originalen“. Ich befand mich auf dem Heimweg, als ich einer Gruppe junger Mädchen begegnete. Offensichtlich feierten sie einen Junggesellinnenabschied (JGA), was hier keine Seltenheit ist. Jedenfalls waren sie phantasievoll gebrandet, ziemlich alkoholisiert und alles andere als unauffällig. Zwei von ihnen kamen direkt auf mich zu. Während mich eine gleich auf den Mund küsste, ging mir eine andere direkt an den Gürtel. Nach einer ersten Schrecksekunde gelang es mir, dieser Attacke humorvoll zu begegnen. Ihre Absichten waren eindeutig und ich kann nicht sagen, dass die Mädels unattraktiv waren. Vermutlich wäre es ein leichtes gewesen, diese Attacke ein paar Schritte entfernt in meinem Appartement in eine freudvolle Party zu verwandeln. Doch es war einfach „too much“. 

Der Vorfall lässt mich auch heute nicht los. Was war da passiert, dass ich auf ein derart günstiges Angebot nicht eingehen wollte? Meine Moral war es sicherlich nicht, soviel steht für mich fest; ich bin Single, niemandem verpflichtet und alles andere als eine Spaßbremse. Und trotzdem konnten mich diese – im Wortsinne – geilen Bräute nicht überzeugen. Ich erinnere mich daran, dass ich mal etwas über das sogenannte Arndt-Schulz-Gesetz gelesen habe. Es besagt, dass schwache Reize eine Lebenstätigkeit anfachen, mittelstarke Reize sie fördern, starke sie hemmen, und stärkste sie aufheben. Interessant! Hugo Paul Friedrich Schulz war Pharmakologe und Rudolf Arndt ein Psychiater. Ende des 19. Jahrhun-derts entwickelten sie dieses Gesetz als Richtlinie für die Reaktion des menschlichen Körpers auf Reize. Und irgendwie passt es ja.
Kann ich daraus Erkenntnisse für meine New Business Tätigkeit ableiten? Kann man auch in der Ansprache potenzieller Kunden den Reiz übersteuern? Ich entwickle das Gefühl, dass es sich lohnt, weiter darüber nachzudenken.
Als ich – wie jeden Samstagmittag – auf dem Karlsplatz ein Alt und den von mir so geliebten Grünkohl zu mir nehme, erhalte ich eine WhatsApp von Lia. Sie wünscht mir ein schönes Wochenende und fragt an, ob wir uns vielleicht am Abend treffen sollen. Respekt! Sie weiß, wie es geht! Dann fällt mir eine Begebenheit ein, bei der ich auf einer Veranstaltung des Marketingclubs von ein paar Agenturleuten auf meine Vorgehensweise beim New Business angesprochen wurde. Solche Fragen werden mir in diesen Kreisen oft gestellt, selten werden jedoch meine diesbezüglichen Gegenfragen konkret beantwortet . Ich antworte also, dass ich den – von Andreas Grabarz mal ins Spiel gebrachten – „Flirtprozess“ recht charmant und zielführend fände: Also langsam beginnen und sich dann immer weiter steigern. Mit möglichst viel Phantasie, nie verbissen, gerne auch ein wenig verspielt und immer mit einem klaren Ziel: dem Vertragsabschluss! Ich weiß noch, wie einer der Zuhörer, ein sehr bekannter Agenturchef, diese Darstellung lautstark nutzte, um seine Einstellung dazu kundzutun: „Ich will nicht flirten, ich will Sex!“ Das Gelächter war ihm sicher.  
Je mehr ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir, dass in der richtig dosierten Reizstärke ein wesentlicher Hebel für den Neugeschäftserfolg liegt. „Wenn du schnell ans Ziel willst, gehe langsam!“, diese Weisheit stammt wohl von den Chinesen. Und „langsam bedeutet in diesem Zusammenhang auch, dass ein wirklich werthaltiger Kontakt nicht in Form eines One-Night-Stand geschlossen werden kann. Doch wie viele versuchen genau das? Und meinen Geschäftsführer habe ich auch im Verdacht, zumindest zeitweise mit dem Boris Becker Modell zu liebäugeln: anhauen, verhauen, abhauen.
Okay, mal sehen, wie es mit Lia heute Abend weitergeht 😊.

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