Der Vorfall lässt mich auch heute nicht los. Was war da passiert, dass ich auf ein derart günstiges Angebot nicht eingehen wollte? Meine Moral war es sicherlich nicht, soviel steht für mich fest; ich bin Single, niemandem verpflichtet und alles andere als eine Spaßbremse. Und trotzdem konnten mich diese – im Wortsinne – geilen Bräute nicht überzeugen. Ich erinnere mich daran, dass ich mal etwas über das sogenannte Arndt-Schulz-Gesetz gelesen habe. Es besagt, dass schwache Reize eine Lebenstätigkeit anfachen, mittelstarke Reize sie fördern, starke sie hemmen, und stärkste sie aufheben. Interessant! Hugo Paul Friedrich Schulz war Pharmakologe und Rudolf Arndt ein Psychiater. Ende des 19. Jahrhun-derts entwickelten sie dieses Gesetz als Richtlinie für die Reaktion des menschlichen Körpers auf Reize. Und irgendwie passt es ja.
Kann ich daraus Erkenntnisse für meine New Business Tätigkeit ableiten?
Kann man auch in der Ansprache potenzieller Kunden den Reiz übersteuern? Ich
entwickle das Gefühl, dass es sich lohnt, weiter darüber nachzudenken.
Als ich – wie jeden Samstagmittag – auf dem Karlsplatz ein Alt und den
von mir so geliebten Grünkohl zu mir nehme, erhalte ich eine WhatsApp von Lia.
Sie wünscht mir ein schönes Wochenende und fragt an, ob wir uns vielleicht am
Abend treffen sollen. Respekt! Sie weiß, wie es geht! Dann fällt mir eine
Begebenheit ein, bei der ich auf einer Veranstaltung des Marketingclubs von ein
paar Agenturleuten auf meine Vorgehensweise beim New Business angesprochen
wurde. Solche Fragen werden mir in diesen Kreisen oft gestellt, selten werden
jedoch meine diesbezüglichen Gegenfragen konkret beantwortet ☹. Ich antworte also,
dass ich den – von Andreas Grabarz mal ins Spiel gebrachten – „Flirtprozess“
recht charmant und zielführend fände: Also langsam beginnen und sich dann immer
weiter steigern. Mit möglichst viel Phantasie, nie verbissen, gerne auch ein
wenig verspielt und immer mit einem klaren Ziel: dem Vertragsabschluss! Ich
weiß noch, wie einer der Zuhörer, ein sehr bekannter Agenturchef, diese
Darstellung lautstark nutzte, um seine Einstellung dazu kundzutun: „Ich will
nicht flirten, ich will Sex!“ Das Gelächter war ihm sicher.
Je mehr ich
darüber nachdenke, desto klarer wird mir, dass in der richtig dosierten
Reizstärke ein wesentlicher Hebel für den Neugeschäftserfolg liegt. „Wenn du
schnell ans Ziel willst, gehe langsam!“, diese Weisheit stammt wohl von den
Chinesen. Und „langsam“ bedeutet in diesem Zusammenhang auch, dass ein
wirklich werthaltiger Kontakt nicht in Form eines One-Night-Stand geschlossen
werden kann. Doch wie viele versuchen genau das? Und meinen Geschäftsführer
habe ich auch im Verdacht, zumindest zeitweise mit dem Boris Becker Modell zu
liebäugeln: anhauen, verhauen, abhauen.
Okay, mal
sehen, wie es mit Lia heute Abend weitergeht 😊.
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