Fast drei
Wochen sind nun seit dem Briefing durch die Messegesellschaft vergangen und es
steht der Schulterblick hier im Hause bevor. Eine nicht ganz übliche
Vorgehensweise, denn selten nehmen sich potenzielle Auftraggeber die Zeit, in
der Vorphase eines Pitchs ein derartig qualifiziertes Re-Briefing
durchzuführen. Findet es dennoch statt, sagt es viel über die Ernsthaftigkeit
und die Qualifikation der Suchenden aus. Denn schon allein der Reiseaufwand
zeigt, dass es darum geht, die in jeder Hinsicht richtige Agentur zu finden.
Von einem der Besucher werde ich später erfahren, dass man – neben dem
richtigen Verständnis des Briefings – auch das Ziel vor Augen hat, sich ein
Bild von der Authentizität der Agentur zu machen. Kennen sich die Mitarbeiter
überhaupt untereinander und gibt es auch solche, die schon erkennbar länger in diesem
Unternehmen sind?! Ich sehe in dem Besuch jedenfalls eine gute Gelegenheit, unsere
Agentur in ihrer Leistung ein wenig zu inszenieren. Und genau darum wird es heute
gehen.
Den Transfer
von Bahnhof oder Flughafen können wir uns heute sparen, da die Abordnung des
Kunden mit dem PKW anreist. Sie besteht aus der Kommunikationschefin, dem
Einkaufsleiter und dem Agenturscout. Ich empfange sie gleich an der Tür und
führe sie unmittelbar in den Konferenzraum. Hier warten bereits Rainer König,
Silke Sommer und meine beiden Kolleginnen, die mit mir auch schon das Briefing entgegennahmen.
Silke Sommer begrüßt unsere Gäste, Rainer König fasst sich erfreulich kurz in seinen
Worten zur Agentur, und nach einem kurzen Austausch von Freundlichkeiten steigen
wir gleich ein in die Präsentation der bisherigen Arbeitsergebnisse. Hierbei
handelt es sich um den konzepti-onellen Ansatz, erste Skizzen sowie erste
Vorstellungen zu den Kanälen und Medien, die wir für das Vorhaben zum Einsatz
bringen wollen. Und natürlich, wo das geschehen soll. Als Präsentationsteam
haben wir uns im Vorfeld dahingehend abgestimmt, dass wir möglichst wenig sagen
und dafür umso besser zuhören wollen.
Es bleibt sehr
ruhig im Raum. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich darüber freuen soll oder
ob mich das stutzig machen sollte. Schließlich ergreift der Einkaufsleiter das
Wort und weist uns darauf hin, dass auch diese Veranstaltung den gesetzlichen
Regeln eines öffentlichen Ausschreibungsverfahrens unterliegt. Daher sollten wir
lediglich Angaben erwarten, die auf ein abweichendes Verständnis des erhaltenen
Briefings hindeuten. Diese scheint es bis zu diesem Punkt nicht zu geben. Schließlich
kommt dann doch noch eine Verständnisfrage des Agenturscouts. Der Einkaufsleiter
gibt den Hinweis, dass eine bestimmte Kostenposition in der Kalkulation separat
ausgewiesen werden sollte. Das war’s?! Die Art und Weise, wie uns die Kommunikationschefin
dann allerdings auffordert, den eingeschlagenen Weg weiter zu gehen, beschert
mir ein sehr gutes Gefühl.
Nächster
Programmpunkt. Gerne hätten wir unsere Gäste an dieser Stelle ein wenig netter
zum Essen eingeladen. Allein schon ihre stundenlange Anreise hätte das allemal
gerecht-fertigt. Man hatte mich aber im Vorfeld bereits darauf hingewiesen,
dass das aufgrund der Compliance-Richtlinien des Unternehmens nicht erwünscht
sei. Also gibt es ein wenig Finger- food auf der Terrasse an Stehtischen. Dass
sich hier gleichzeitig auch viele Mitarbeiter der Agentur aufhalten, ist
ausdrücklich gewollt. Eine gute Idee, wie ich später von dem Agentur-scout
erfahre, da diese Momente der Mitarbeiterbegegnung einer der Hauptgründe für
den Besuch vor Ort sind. Er selbst erlebe es immer wieder, dass ihm Menschen
als Mitarbeiter präsentiert werden, die sich in der Agentur völlig
orientierungslos bewegen. Obendrein achte er persönlich auch auf die
Altersgruppen, die er in Agenturen vorfindet. Alles nur Praktikanten?! Ich bin
erstaunt.
Und in der
Tat. Trotz der großen Zuwendung, die Rainer König und Silke Sommer unseren
Gästen entgegenbringen, nutzen diese auch jede Möglichkeit, mit den ihnen noch
völlig unbekannten Mitarbeitern ins Gespräch zu kommen. Eine kluge Taktik, wenn
ich darüber nachdenke, denn was ist eine Agentur anderes, als ein
ausschließlich auf persönlichen Leistungen basierendes Unternehmen?
Nächster
Programmpunkt: der Agenturrundgang. Hier bestand die Herausforderung nun darin,
Vorgänge zu zeigen, die sich eben nicht nur zwischen den Mitarbeitern und ihren
PCs abspielen. Obendrein sollte es sich dabei auch nicht um ein einstudiertes
Programm handeln, sondern um realen Agenturalltag. Meine diesbezügliche
Einflussnahme beschränkte sich darauf, dass in einem bestimmten Zeitkorridor
unser Messebauer im Haus war und sein neues Messestandmodell für einen unserer
Kunden präsentierte. In einem anderen Raum fand die Druckabnahme eines Displays
statt. Zwei Räume weiter wurde ein neues Druckverfahren für XXL-Plakate
präsentiert, wie sie bspw. an Messehallen angebracht werden. Unser hauseigenes
Videoteam hatte einen YouTube-Spot zu produzieren. Den Zeitpunkt für die
Aufnahme legten sie in dieses Zeitfenster. Ebenso der Schnittplatz, an dem ein
Video für den Einsatz in Instagram fertiggestellt wurde. Bildbearbeitung,
Druckabnahme, Anfertigung von Illustrationen, Einscannen von Visitenkarten,
Auswertung von E-Mail-Marketingaktionen… es gibt auch heute noch allerhand zu
zeigen, wenn man entsprechend vorbereitet ist.
Da wir
häufiger Gäste im Hause haben, gibt es diesbezüglich schon eine gewisse
Routine. Mich macht es immer wieder froh, wenn ich mit Gästen durch die Agentur
gehe und dabei die Kommunikation erlebe, die zwischen den Gästen und meinen
Kollegen entsteht. Dabei läuft nicht immer alles so glatt, wie es heute
erfreulicherweise läuft, aber einen Mitarbeiter, der nicht wirklich zu uns
gehört, den wird man bei uns nicht finden.
Nach dem
Rundgang durch die Agentur, finden wir uns erneut auf der Terrasse ein. Beinahe
hätten wir den Einkaufsleiter an dem Kicker verloren, aber es ist noch einmal
alles gut gegangen 😊. Bei einem letzten Kaffee entsteht
noch ein unverfängliches Gespräch und wir verabschieden unsere Gäste gemeinsam
an ihrem Auto.
Angenehme
Menschen, ist die allgemeine Reaktion meiner Kollegen. Für die würden wir gerne
arbeiten. Diesem Urteil schließe ich mich gerne an. Jetzt müssen wir nur noch
den Pitch gewinnen!
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