Samstag, 13. Juli 2019

Step 27: Interessenten im Haus


Fast drei Wochen sind nun seit dem Briefing durch die Messegesellschaft vergangen und es steht der Schulterblick hier im Hause bevor. Eine nicht ganz übliche Vorgehensweise, denn selten nehmen sich potenzielle Auftraggeber die Zeit, in der Vorphase eines Pitchs ein derartig qualifiziertes Re-Briefing durchzuführen. Findet es dennoch statt, sagt es viel über die Ernsthaftigkeit und die Qualifikation der Suchenden aus. Denn schon allein der Reiseaufwand zeigt, dass es darum geht, die in jeder Hinsicht richtige Agentur zu finden. Von einem der Besucher werde ich später erfahren, dass man – neben dem richtigen Verständnis des Briefings – auch das Ziel vor Augen hat, sich ein Bild von der Authentizität der Agentur zu machen. Kennen sich die Mitarbeiter überhaupt untereinander und gibt es auch solche, die schon erkennbar länger in diesem Unternehmen sind?! Ich sehe in dem Besuch jedenfalls eine gute Gelegenheit, unsere Agentur in ihrer Leistung ein wenig zu inszenieren. Und genau darum wird es heute gehen.

Den Transfer von Bahnhof oder Flughafen können wir uns heute sparen, da die Abordnung des Kunden mit dem PKW anreist. Sie besteht aus der Kommunikationschefin, dem Einkaufsleiter und dem Agenturscout. Ich empfange sie gleich an der Tür und führe sie unmittelbar in den Konferenzraum. Hier warten bereits Rainer König, Silke Sommer und meine beiden Kolleginnen, die mit mir auch schon das Briefing entgegennahmen. Silke Sommer begrüßt unsere Gäste, Rainer König fasst sich erfreulich kurz in seinen Worten zur Agentur, und nach einem kurzen Austausch von Freundlichkeiten steigen wir gleich ein in die Präsentation der bisherigen Arbeitsergebnisse. Hierbei handelt es sich um den konzepti-onellen Ansatz, erste Skizzen sowie erste Vorstellungen zu den Kanälen und Medien, die wir für das Vorhaben zum Einsatz bringen wollen. Und natürlich, wo das geschehen soll. Als Präsentationsteam haben wir uns im Vorfeld dahingehend abgestimmt, dass wir möglichst wenig sagen und dafür umso besser zuhören wollen.
Es bleibt sehr ruhig im Raum. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich darüber freuen soll oder ob mich das stutzig machen sollte. Schließlich ergreift der Einkaufsleiter das Wort und weist uns darauf hin, dass auch diese Veranstaltung den gesetzlichen Regeln eines öffentlichen Ausschreibungsverfahrens unterliegt. Daher sollten wir lediglich Angaben erwarten, die auf ein abweichendes Verständnis des erhaltenen Briefings hindeuten. Diese scheint es bis zu diesem Punkt nicht zu geben. Schließlich kommt dann doch noch eine Verständnisfrage des Agenturscouts. Der Einkaufsleiter gibt den Hinweis, dass eine bestimmte Kostenposition in der Kalkulation separat ausgewiesen werden sollte. Das war’s?! Die Art und Weise, wie uns die Kommunikationschefin dann allerdings auffordert, den eingeschlagenen Weg weiter zu gehen, beschert mir ein sehr gutes Gefühl.
Nächster Programmpunkt. Gerne hätten wir unsere Gäste an dieser Stelle ein wenig netter zum Essen eingeladen. Allein schon ihre stundenlange Anreise hätte das allemal gerecht-fertigt. Man hatte mich aber im Vorfeld bereits darauf hingewiesen, dass das aufgrund der Compliance-Richtlinien des Unternehmens nicht erwünscht sei. Also gibt es ein wenig Finger- food auf der Terrasse an Stehtischen. Dass sich hier gleichzeitig auch viele Mitarbeiter der Agentur aufhalten, ist ausdrücklich gewollt. Eine gute Idee, wie ich später von dem Agentur-scout erfahre, da diese Momente der Mitarbeiterbegegnung einer der Hauptgründe für den Besuch vor Ort sind. Er selbst erlebe es immer wieder, dass ihm Menschen als Mitarbeiter präsentiert werden, die sich in der Agentur völlig orientierungslos bewegen. Obendrein achte er persönlich auch auf die Altersgruppen, die er in Agenturen vorfindet. Alles nur Praktikanten?! Ich bin erstaunt.
Und in der Tat. Trotz der großen Zuwendung, die Rainer König und Silke Sommer unseren Gästen entgegenbringen, nutzen diese auch jede Möglichkeit, mit den ihnen noch völlig unbekannten Mitarbeitern ins Gespräch zu kommen. Eine kluge Taktik, wenn ich darüber nachdenke, denn was ist eine Agentur anderes, als ein ausschließlich auf persönlichen Leistungen basierendes Unternehmen?  
Nächster Programmpunkt: der Agenturrundgang. Hier bestand die Herausforderung nun darin, Vorgänge zu zeigen, die sich eben nicht nur zwischen den Mitarbeitern und ihren PCs abspielen. Obendrein sollte es sich dabei auch nicht um ein einstudiertes Programm handeln, sondern um realen Agenturalltag. Meine diesbezügliche Einflussnahme beschränkte sich darauf, dass in einem bestimmten Zeitkorridor unser Messebauer im Haus war und sein neues Messestandmodell für einen unserer Kunden präsentierte. In einem anderen Raum fand die Druckabnahme eines Displays statt. Zwei Räume weiter wurde ein neues Druckverfahren für XXL-Plakate präsentiert, wie sie bspw. an Messehallen angebracht werden. Unser hauseigenes Videoteam hatte einen YouTube-Spot zu produzieren. Den Zeitpunkt für die Aufnahme legten sie in dieses Zeitfenster. Ebenso der Schnittplatz, an dem ein Video für den Einsatz in Instagram fertiggestellt wurde. Bildbearbeitung, Druckabnahme, Anfertigung von Illustrationen, Einscannen von Visitenkarten, Auswertung von E-Mail-Marketingaktionen… es gibt auch heute noch allerhand zu zeigen, wenn man entsprechend vorbereitet ist.
Da wir häufiger Gäste im Hause haben, gibt es diesbezüglich schon eine gewisse Routine. Mich macht es immer wieder froh, wenn ich mit Gästen durch die Agentur gehe und dabei die Kommunikation erlebe, die zwischen den Gästen und meinen Kollegen entsteht. Dabei läuft nicht immer alles so glatt, wie es heute erfreulicherweise läuft, aber einen Mitarbeiter, der nicht wirklich zu uns gehört, den wird man bei uns nicht finden.
Nach dem Rundgang durch die Agentur, finden wir uns erneut auf der Terrasse ein. Beinahe hätten wir den Einkaufsleiter an dem Kicker verloren, aber es ist noch einmal alles gut gegangen 😊. Bei einem letzten Kaffee entsteht noch ein unverfängliches Gespräch und wir verabschieden unsere Gäste gemeinsam an ihrem Auto.
Angenehme Menschen, ist die allgemeine Reaktion meiner Kollegen. Für die würden wir gerne arbeiten. Diesem Urteil schließe ich mich gerne an. Jetzt müssen wir nur noch den Pitch gewinnen!

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