Samstag, 6. Juli 2019

Step 26: Change Prozess Teil eins


Als Mitarbeiter von Boncreativa hätte man in letzter Zeit den Eindruck haben kön-nen, dass sich unsere Geschäftsleitung sehr rar macht. Rainer König wohnte gerade noch den Wochenmeetings bei und Silke Sommer befand sich nur noch auf Reisen. Heute gab es die Erklärung. Alle der rund 60 Mitarbeiter waren für 9h in das Foyer bestellt. Rainer König und Silke Sommer stellten sich auf dessen Treppe und hielten eine kurze Ansprache. Darin verkündeten sie ihren Entschluss, die Agentur neu auszurichten. Man habe sich in den letzten Wochen mit allen Kunden unterhalten, einige Netzwerkpartner getroffen und sich mit zahlreichen Branchenexperten ausgetauscht. Auf dieser Grundlage werde man die Agentur nun weiterentwickeln und für die Zukunft ausrichten. Jeder von uns werde auf diesen Weg mitgenommen und sei Teil dieses neuen Weges. Letztlich geht es darum, jeden einzelnen Arbeits-platz zukunftssicher zu machen und noch weitere zu schaffen. Im nächsten Schritt werde man sich nun in eine mehrtägige Klausur begeben und mit einem Experten gemeinsam die Eckpfeiler einer Agenturpositionierung erarbeiten.

Na, das nenn ich mal eine Ansage! Um mich herum erkenne ich eine gewisse Verwirrung. „Geht es uns schlecht?“, höre ich einen Kollegen fragen. „Na, das wurde aber auch längst Zeit!“, kommentiert ein anderer. „Gut, dass sich endlich was bewegt!“, meint Annika. Silke Sommer bittet abschließend darum, die eigene Neugier wieder zu beleben und den kommen-den Prozess mit der nötigen Aufgeschlossenheit zu begleiten. Es wäre zu unser aller Vorteil.

Sabine, Ulrike und ich werden im Anschluss an diese Ansprache in das Büro von Rainer König beordert. Wir erhalten die Information, dass sich die Beiden in zehn Tagen mit einem Berater im Allgäu treffen, wo sie sich – fernab vom Tagesgeschäft – über mehrere Tage intensiv der Neuausrichtung der Agentur widmen werden. Zur Vorbereitung dieses Termins benötigen sie noch weitere Informationen, bei deren Beschaffung wir helfen sollen.
Zunächst einmal wäre da die Sicht auf die eigene Arbeit. Speziell an Sabine Kurz, unsere Chefberaterin, geht der Auftrag, die Jobs der letzten zwei Jahre in Bezug auf ihre Rentabilität in einer EXCEL-Liste darzustellen. Dann die generelle Auswertung dazu, in welchen Branchen wir uns in den letzten Jahren hauptsächlich bewegen und was sich da gegenüber den Jahren zuvor verändert hat. Über welche Kompetenzen verfügen wir in welchen Arbeitsfeldern und welche Veränderungen hat es diesbezüglich in den letzten zwei Jahren gegeben? Mit welchen Kunden bestehen bezogen auf welche Arbeitsfelder Konkurrenzausschlussklauseln? Gewünscht sind kurze, schriftliche Statements, die allerdings mit konkreten Zahlen zu unterlegen sind.

Bemerkenswert finde ich die ergänzende Aufgabe von Rainer König, eine einfache, schriftli-che Befragung der Mitarbeiter durchzuführen, wie sie bestimmte Jobs und Kunden beurteilen. Und obendrein: welche Jobs und welche Kunden dem Mitarbeiter gut gefallen würden.

Der zweite Bereich umfasst den Wettbewerb. Mit welchen Agenturen arbeiten unsere Kunden sonst noch zusammen? In den Gesprächen, die unsere Geschäftsführer mit unseren Kunden geführt haben, sind offenbar zahlreiche Namen gefallen. Silke Sommer überreicht mir eine Liste mit sieben Agenturnamen. Es ergeht die Frage an uns, welche Agenturen wir persönlich noch als Benchmarks sehen. So ergänze ich die Liste auf insgesamt 13 Agenturen. Silke Sommer bittet mich, diese Wettbewerber im Internet einer spezifischen Recherche zu unter-ziehen. Sie wünsche sich Informationen über deren Branchenkompetenz, deren Arbeitsfelder, ihr Kommunikationsverhalten (z.B. Nutzung welcher Kommunikationskanäle), Hinweise auf deren Image, eventuelle Beurteilungen als Arbeitgeber, Eigenpräsentation von Mitarbeitern auf XING und ähnlichen Portalen, eventuelle Award-Gewinne.
Aber auch Ulrike Matuschek, unsere Kreativchefin, geht nicht leer aus. Ihre Aufgabe wird es, die Positionierungen der Wettbewerber zu ergründen und deren Umsetzung zu beurteilen.

Puh, das dürfte als Aufgabe für die nächsten Monate reichen! Immerhin haben wir acht Tage dafür. Jetzt ist Delegation angesagt. Meine Aufgabe ist die Mitarbeiterbefragung und der Teil der Internetrecherchen, der nicht mit der unmittelbaren Positionierung zu tun hat, die ja von Ulrike durchgeführt wird.
Für die Mitarbeiterbefragung entwerfe ich ein Formular, in welches ich 15 der häufigsten Tätigkeiten eintrage. Also bspw.: Markenentwicklung, Messeprojekt, Social Media Kampagne, usw. Hier bitte ich um eine Beurteilung von 1 für „mag ich nicht“ bis 5 für „super geil!“  Dann führe ich unsere Kunden auf und bitte um eine Beurteilung des Anspruchs, den deren Jobs haben und wie die Zusammenarbeit empfunden wird. Gleiches Bewertungsraster. Schließlich lasse ich noch zwei Felder frei, in die Wunschprojekte und Wunschkunden eingetragen werden können. Nach kurzer Überlegung entschließe ich mich dazu, diese Befragung nicht anonym durchzuführen, sondern um den Namen des Mitarbeiters zu bitten, der diesen Fragebogen ausgefüllt hat. Abgabe bis nächste Woche Mittwoch, 17h bei mir! Um den Rest kümmert sich Natalie.
Für die Internetrecherche lege ich eine EXCEL-Tabelle an. In die Vertikale bringe ich dabei die 13 Agenturen, welche ich beobachten werde. In die Horizontale nehme ich alle Aspekte auf, die mir jetzt schon einfallen. Also bspw. „Maschinenbau“ als Branchenmerkmal oder „B2B“. Hier ist auch der Platz für erkannte Arbeitsfelder, wie etwa Employer Branding, Corporate Publishing, Messekommunikation, Social Media usw. 
Eintragungen erfolgen immer dann, wenn ich bei den Auswertungen der Internetseiten etc. auf solche Angaben treffe. Schließlich noch das Kommunikationsverhalten. Wer betreibt einen Blog und wie aktuell ist dieser? Wer bietet einen Newsletter an, wie ist das Anmelde-prozedere (Double-Opt-in)? Wer hat eine Facebook-Firmenseite mit wie vielen Followern? Wer betreibt einen YouTube Kanal mit welchen Inhalten? Immer neue Aspekte kommen hinzu, je mehr ich mich in die Tiefe begeben. 
Am dritten Tag habe ich sechs der insgesamt dreizehn Agenturen auf diese Art ausgewertet. Der Kriterienkatalog ist auf über 30 Aspekte angewachsen. In Annika finde ich eine hoch-motivierte Kollegin, die die weiteren Agenturprofile auswerten wird. So werde ich den Job schaffen können. Schließlich möchte ich noch die Mitarbeiterkommunikation dieser Wettbe-werber unter die Lupe nehmen.
Viel Arbeit, aber insgesamt doch ein sehr guter Ansatz. Ich freue mich sehr über den sehr qualifizierten Ansatz unserer Chefs und ihr entschlossenes Vorgehen. Schließlich bewahrt es uns als Agentur vor dem Szenario, welches David Ogilvy einst so formulierte: „Wenn du nichts zu sagen hast, dann singe es!“

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